Gastbeitrag, erschienen in der Börsen-Zeitung am 14.12.2023
Zugegeben, ein prominentes Datum in der deutschen und europäischen Finanzgeschichte ist die Gründung der Entschädigungseinrichtung deutscher Banken (EdB) bis heute nicht. Möglicherweise hat dies auch mit der etwas komplizierten Vorgeschichte zu tun. Als die erste europäische Einlagensicherungsrichtlinie im Jahr 1994 auf den Weg gebracht wurde, geschah dies gegen den Widerstand der damaligen deutschen Bundesregierung, die schließlich sogar bis vor den Europäischen Gerichtshof (EuGH) zog, den schon rollenden Zug aber nicht mehr aufhalten konnte.
Mit Zurückweisung der Klage durch den EuGH war klar: Alle Mitgliedstaaten der Europäischen Union waren verpflichtet, ein Sicherungssystem für Banken zu implementieren. Der Startschuss für die Entschädigungseinrichtung der privaten Banken fiel schließlich im Jahr 1998.
Mehrwert angezweifelt
Es war nicht die Notwendigkeit, sondern der Mehrwert einer solchen Einrichtung, der von Deutschland angezweifelt wurde. Denn Mitte der 1990er Jahre gab es in der Bundesrepublik bereits ein funktionierendes freiwilliges Einlagensicherungssystem für private Banken sowie institutsbezogene Sicherungssysteme für Sparkassen und Genossenschaftsbanken. Schon damals konnten die Kunden darauf vertrauen, dass ihre Einlagen geschützt waren, sollte ein Institut in die Insolvenz gehen. 25 Jahre nach Gründung der EdB fällt die Bilanz aber mehr als erfreulich aus. Das hat vor allem zwei Gründe. Zum einen hatte die Bundesregierung sich damals für eine überaus pragmatische Herangehensweise entschieden: Anstatt eine staatliche Behörde von Grund auf neu zu schaffen hat sie die EdB als eine hoheitlich handelnde Behörde unter dem Dach des Bankenverbandes angesiedelt.
Diese ungewöhnliche Konstruktion war dem Umstand geschuldet, dass der Verband zum damaligen Zeitpunkt schon seit rund 20 Jahren die freiwillige Einlagensicherung der privaten Banken (ESF) verantwortete und daher über große Expertise verfügte. Eine Übernahme der Aufgaben durch den ESF selbst schied aufgrund juristischer Komplikationen aber aus. Der zweite Grund ist die Weiterentwicklung des europäischen Einlagensicherungssystems. Als Folge der Banken- und Finanzmarktkrise von 2008 setzte die Europäische Union zahlreiche Reformen um, die die gesetzliche Einlagensicherung weiterentwickelten und aufwerteten.
Europäische Erfolgsgeschichte
Die prominenteste dieser Reformen war wohl 2010 die Erhöhung des Schutzversprechens der staatlichen Einlagensicherung von bis dahin 20.000 Euro auf 100.000 Euro pro Einleger und Kreditinstitut. Für die Kundinnen und Kunden mindestens ebenso wichtig: Die Entschädigungsansprüche müssen seit 2015 innerhalb von sieben Tagen erfüllt werden, ohne dass der Kunde selbst die Initiative zu ergreifen hat. Und von einer übergeordneten Perspektive aus betrachtet stechen die europaweit einheitlichen Anforderungen an die finanzielle Ausstattung der Einlagensicherungssysteme sowie die regelmäßigen Stresstests, mit denen die Belastbarkeit der Systeme geprüft wird, ins Auge.
Das alles kann man als europäische Erfolgsgeschichte betrachten, denn das System der europäischen Einlagensicherung wurde nicht nur auf dem Papier gestärkt, sondern hat sich auch in der Praxis durchgehend bewährt. In Deutschland selbst stehen zuletzt vor allem die Namen Greensill und Sberbank für die Leistungsfähigkeit der gesetzlichen Einlagensicherung. Beides waren Entschädigungsfälle, die bundesweit für enorme Aufmerksamkeit und Gesprächsstoff gesorgt haben. Der Entschädigungsprozess selbst aber verlief reibungslos und lieferte keinerlei Anlass für kritische Berichterstattung. Gleiches lässt sich über sehr viele andere europäische Entschädigungsfälle der vergangenen Jahre sagen.
All good then? Jede Krise ist anders und verlangt neue, flexible Antworten. Für die EdB heißt das: Sie benötigt einen gut sortierten Werkzeugkasten. Derzeit ist dieser noch nicht so gefüllt, wie er sein könnte. Anders als die freiwillige Einlagensicherung verfügt die EdB bislang nur über ein beschränktes Mandat, was bedeutet: Sie kann ihre Mittel nur für Zwecke der Entschädigung verwenden, nicht aber bereits im Vorfeld einer Insolvenz tätig werden, um diese im Interesse der Finanzmarktstabilität abzuwenden. Um die uneingeschränkte und jederzeitige Handlungsfähigkeit der EdB auch in Zukunft sicherzustellen und weiterzuentwickeln, sollte die Erweiterung dieses Mandats noch einmal thematisiert werden.
Und noch ein zweiter Punkt ist wichtig: Wir brauchen mehr Zusammenarbeit auf allen Ebenen des europäischen Krisenmanagements. Im Falle einer grenzüberschreitenden Krise sind deutlich mehr Institutionen als nur die nationalen Einlagensicherungen beteiligt. Eine zielgerichtetere Vernetzung und Kooperation, damit die richtigen Instrumente im Zusammenspiel zwischen europäischen und nationalen Aufsichten, Abwicklungsbehörden und Einlagensicherungssystemen effizient zum Einsatz kommen können, ist unbedingt notwendig.